Mit fliegenden Sternen zu Harmonie am Bau
Interview von der Firma MAKK mit Beate Kurth und Cilgia Hägi Riatsch
08.07.20
Raumpsychologie und Feng Shui – im Grunde ist es ein und dasselbe. Cilgia Hägi Riatsch ist Architektin und hat sich in Feng Shui ausbilden lassen. Zu Beginn war sie skeptisch gegenüber fliegenden Sternen, Schutztieren und Baguas. Erfahren Sie im spannenden Interview, wie sie sich mit der östlichen Lehre angefreundet hat und ihr neues Wissen in die Praxis umsetzt.
MAKK: Was ist Feng Shui? Und wie kann es unser Leben beeinflussen?
Cilgia Hägi Riatsch: Feng Shui ist Raumpsychologie nach der traditionellen Lehre aus China. Nach Feng Shui ordnen wir unterschiedlichste Lebensthemen den jeweiligen Himmelsrichtungen zu. Alles basiert auf diesem Prinzip und ist aussagekräftig für die jeweiligen Themen der Bewohner. Fehlt ein Bereich oder ist dieser im Übermass vorhanden, kann ich Rückschlüsse daraus ziehen und Einfluss nehmen. Das Ziel ist, möglichst harmonisch zu leben und eventuelle Disharmonien auszugleichen. Unsere Umgebung beeinflusst uns sehr, und wir sie.
MAKK: Als Architektin besitzen Sie doch das Wissen über harmonische Raumkonzepte und das Zusammenspiel von Materialen, stimmiger Beleuchtung und Farben. Wozu braucht es noch Feng Shui?
Cilgia Hägi Riatsch: Das stimmt. In meinen Augen respektiert gute Architektur bereits sehr viele Aspekte für ein harmonisches Raumgefühl und geht auf den Menschen ein! Durch die Verdichtung werden zurzeit aber ganze Areale bebaut, ohne dass auf den Menschen eingegangen wird. Zum Beispiel im Greencity in Zürich. Hier zählen andere Faktoren, wie Wirtschaftlichkeit. Das Wohlbefinden der künftigen BewohnerInnen steht nicht an erster Stelle. Mit Feng Shui habe ich nun als Architektin ein weiteres Werkzeug gefunden, mit dem ich Wohn- und Arbeitsräume positiv beeinflussen kann.
MAKK: Von Schutztieren und fliegenden Sternen ist die Rede – nicht gerade wissenschaftliche Begriffe in der westlichen Welt. Ist Feng Shui von Architekten anerkannt oder wird es als Humbug abgetan?
Cilgia Hägi Riatsch: Da sprechen Sie ein gutes Thema an! Ich selbst bin manchmal auch hin und her gerissen. Das Problem, welches Feng Shui meiner Meinung nach hat, ist folgendes: Einerseits Feng Shui als Wort, da haben wir wenig Bezug dazu. Geomantie oder Raumpsychologie tönt für mich verständlicher. Und zum anderen ist Feng Shui Berater kein geschützter Titel. Es geht auch nicht darum, möglichst viele Symbole und Hilfsgegenstände wie Kristalle aufzuhängen. Für mich ist gutes Feng Shui, wenn der Stil den Bedürfnissen der Menschen angepasst wird. Hier sind ganz viele individuelle Lösungen möglich, die im Gespräch erarbeitet werden. Gerade dieser Prozess macht mir grossen Spass: Massgeschneiderte Lösungen zu entwickeln und anzubieten. Weitere Schwerpunkte, um in Harmonie mit der Umwelt zu leben, sind Bauökologie, Elektrosmog und Radiästhesie. Darauf lege ich grossen Wert!
Bei alten Gebäuden stimmt vieles bereits so, wie man es
nach Feng Shui machen würde. Durch unsanfte Anbauten
wird diese ursprüngliche Harmonie aber oft gestört. Hier
kann Feng Shui helfen, das Gleichgewicht herzustellen.
MAKK: …und was bedeuten nun die fliegenden Sterne und die Schutztiere?
Cilgia Hägi Riatsch: Die «fünf Schutztiere» wenden wir hier in der westlichen Welt genauso an wie in der östlichen, nur nennen wir es nicht so. Zum Beispiel geht es darum, eine Schildkröte im Rücken zu haben, was bedeutet, eine Wand im Rücken bietet Schutz. Ich denke, dies kann jeder nachvollziehen. Die Sprache der Chinesen ist mit Bildern beschrieben. Und ja, die fliegenden Sterne, da war ich anfangs auch sehr skeptisch. Die fliegenden Sterne sind eine Art Horoskop des Hauses. Aber seit ich es selbst ausprobiert habe und zuhause die ‚guten Sterne’ aktiviert habe und ein sichtbarer positiver Effekt daraus entstanden ist, bin ich davon überzeugt und freue mich an den Erfolgserlebnissen. Es geht auch immer ums Ausprobieren und meistens staune ich, was möglich ist. Man muss einfach offen sein.
MAKK: Sehen Sie die Welt und was gebaut wird, mit anderen Augen, seit Sie sich mit Feng Shui befassen?
Cilgia Hägi Riatsch: Die Ausbildung hat mir die Augen geöffnet. Ich gehe anders durchs Leben und damit auch durch mein Arbeitsleben als Architektin. Ich verstehe Räume als Einheit mit uns. Uns Menschen beeinflusst, was uns umgibt, und wir beeinflussen unsere Räume. Zudem kann ich nun Kunden beraten und mehr noch auf den Innenraum eingehen, mit den Werkzeugen aus Feng Shui und Geomantie. Bis anhin plante ich die Bauten nur bis zur Übergabe, die Inneneinrichtung war dann Sache der Bauherrschaft. Es gibt mir ein gutes Gefühl, ganzheitlich zu bauen und zum Wohle der Auftraggeber auf allen Ebenen zu wirken.
MAKK: Gibt es Objekte, die Sie heute – mit Ihrem neu erworbenen Wissen – anders konzipieren würden?
Cilgia Hägi Riatsch: Ich werde in Zukunft sicherlich noch besser auf harmonische Grundrissformen achten. Ich beobachte aber, dass sensible Architekten auch ohne Feng Shui auf diese Kriterien eingehen. Oft staune ich, wie unser westliches Denken und auch die Architektur mit der Theorie des Feng Shui übereinstimmen. Das stelle ich beispielsweise fest, wenn ich Räume betrete und die Farbgebung und die Innenarchitektur betrachte und analysiere. Da stimmt vieles bereits so, wie man es nach Feng Shui machen würde. Vor allem bei alten Gebäuden trifft dies in der Regel zu. Aber durch unsanfte Anbauten oder Erweiterungen wird diese ursprüngliche Harmonie oft gestört. Hier kann Feng Shui helfen, das Gleichgewicht herzustellen. Zum Beispiel, indem die Farbe des vorherrschenden Elements eingesetzt wird in Form von Wandfarbe, eines Bildes, Tapeten, Vorhängen, oder auch mit Pflanzen. Die Vorschläge sind sehr situativ und persönlich. Es gibt keine Intervention, die immer gleich angewendet werden kann.
MAKK: Muss man an Feng Shui glauben, damit es wirkt?
Cilgia Hägi Riatsch: Jein. Was ist es, was uns und unsere Umwelt verändern lässt? Ich denke, wir haben sehr viel Potential, um unsere Welt selbst zu gestalten. Es ist sehr spannend, welche Geschichten verschiedene Wohnsituationen über die Lebenslage der Menschen erzählen. Wenn man nun bestehende Disharmonien ausgleicht, werden die Bewohner beeinflusst und die Themen der betroffenen Person lösen sich. Ob nun der Glaube daran oder die Interventionen dafür verantwortlich sind – dies zu analysieren steht jedem selbst zu. Das Schöne ist, es bewirkt etwas in die richtige Richtung, und dann ist diese Frage sekundär.
MAKK: Lassen Sich «verkorkste» Gebäude nachbessern, oder bleibt nur der Umzug oder der Abriss bei unrettbaren Fällen?
Cilgia Hägi Riatsch: Genau das ist so toll an Feng Shui. Es gibt nichts was nicht geht! Gerade wenn ein Gebäude disharmonisch gebaut wurde, kann mit wenigen Eingriffen die Harmonie wieder hergestellt werden. Kleine Interventionen, wie beispielsweise eine Wand farbig streichen, die optische Erweiterung eines Raumes durch einen Spiegel oder das Umstellen von Möbeln können einiges bewirken. Wichtig ist, dass die Disharmonie im jetzigen Raum bereinigt wird, da man sonst die ungelösten Themen mit sich weiter trägt. Auch in eine neue Wohnsituation.
MAKK: Wie werden Sie Feng-Shui künftig in Ihre Arbeit einfliessen lassen?
Cilgia Hägi Riatsch: Ich werde sicherlich Feng Shui in die Farbgestaltung einbeziehen. Und ich werde auf Lebensthemen der Menschen, die in den Räumen wohnen und arbeiten eingehen und entsprechende Vorschläge erarbeiten. Es ist ein offener Wunsch von mir, ein Gebäude von Grund auf nach Feng Shui zu erstellen, ohne dass dies dem Gebäude anzusehen ist. Ein modernes, architektonisch ansprechendes Gebäude, das im Einklang mit den Menschen und deren Umwelt steht.
MAKK: War die Bauweise unserer Vorfahren harmonischer im Vergleich zur heutigen Architektur?
Cilgia Hägi Riatsch: Man findet in fast jedem historischen Gebäude eine gute Raumanordnung, welche nach Feng Shui Analyse genau so stimmt. Dies zeigt mir, dass unsere Ahnen bereits nach raumpsychologischen Grundsätzen gebaut haben und dabei die Grundsätze der Harmonie respektiert haben. Dies trifft zum Beispiel auf die schönen alten Engadinerhäuser zu. Die kompakte Bauweise und die rechteckigen oder quadratischen Grundrisse wirken harmonisch. Alle Bagua-Bereiche sind gleichwertig, somit ist jeder Lebensthemen-Bereich gut abgedeckt.
MAKK: In den letzten Jahren wurden die Fensterflächen von Wohnhäusern immer grösser. Das wirkt grossartig und bringt viel Licht ins Haus. Aber die Bewohner leben wie in einem Schaufenster. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?
Cilgia Hägi Riatsch: Das stimmt. Der Ausblick und viel natürliches Licht werden immer wichtiger. Die Privatsphäre und die Geborgenheit leiden aber darunter. Ich stelle aber auch fest, dass sich die Architektur wieder weg von den Vollverglasungen zurück zu Lochfassaden, also Fassaden mit abgegrenzten Fenstern, verändert. Das bedeutet eine bessere Wohnqualität. Wenn die Fassaden zu offen sind, fliesst das Qi, die Energie, gleich wieder nach draussen. Nischen und geborgene Plätze in einer Wohnung und auch am Arbeitsplatz sind sehr wichtig für unser Wohlbefinden. Zuhause um sich zu erholen, in der Arbeit um konzentriert arbeiten zu können.
MAKK: Wohnen Sie selbst nach Feng Shui Grundsätzen?
Cilgia Hägi Riatsch: Ja, natürlich. Ich versuche es! Manchmal ist es aber gar nicht so einfach, bei sich selbst objektiv zu sein. Das kennt wohl jeder…
MAKK: Unser Firmen-Motto lautet «Alles in Ordnung». Gibt es für Sie einen Zusammenhang zwischen äusserer Ordnung und innerer Klarheit?
Cilgia Hägi Riatsch: Ja, da besteht ein klarer Zusammenhang! Ist die Umgebung erst einmal aufgeräumt, gibt es auch innere Klarheit. Als erste Intervention bei einer Feng Shui Beratung wird aufgeräumt. Es wird empfohlen, sich von Gegenständen, zu welchen man keinen oder einen ungünstigen Bezug hat, also von allem Ballast, zu trennen.
MAKK: Welchem Raum in unserem Zuhause sollten wir die meiste Aufmerksamkeit schenken? Wo können wir als Erstes ansetzen für ein merklich besseres Wohlbefinden?
Cilgia Hägi Riatsch: Im Schlafzimmer! Der Schlafplatz beeinflusst uns am meisten. Schlafen wir gut und am richtigen Ort, prägt dies unser Leben positiv.
Cilgia Hägi Riatsch arbeitet als Architektin FH seit 2018 zusammen mit Ehemann Florian im gemeinsamen Architekturbüro Hägi Riatsch Architektur in Zürich. Ausbildung zur Feng Shui Beraterin IAF 2017 – 2019. Ab diesem Jahr bietet Cilgia Hägi Riatsch zusätzlich Feng Shui Beratungen an.
Hägi Riatsch Architektur erarbeiten und realisieren Projekte in den Bereichen Erweiterung, Sanierung und Umnutzung von Bestandsgebäuden, Neubauten und Projektstudien. Sie setzen hohe Ansprüche an den Umgang mit bestehender Substanz, an flexibel nutzbare Strukturen und an die Energieeffizienz und verwende hochwertigen und ökologische Materialien für die Realisierung.
Hägi Riatsch Architektur & Raumberatung, Zürich